ÖRAK Präsident warnt vor Gefährdung des Rechtsstaats

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) analysiert in seiner Studie „Fieberkurve des Rechtsstaats“ die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit in Österreich. Die Ergebnisse dieses Jahres seien laut Kammerpräsidenten ernüchternd. Das Fieber steige. Österreich erreiche den schlechtesten Wert, der je gemessen worden sei.

Die Fieberkurve 2023 veranschauliche die Entwicklung des Rechtsstaates seit 2016. In der Analyse 2018 bzw. 2020 konnte mit jeweils 56 Punkten noch ein positives Ergebnis ausgewiesen werden, wohingegen in der aktuellen Studie 2023 sich das Ergebnis deutlich auf 32 Punkte verschlechtert habe. Auf Basis der aktuellen Datenlage sei damit ein deutlich negativer Trend zu attestieren. Das Thermometer beginne beim Wert 0 (max. Verschlechterung) und ende beim Wert 100 (max. Verbesserung). Der Wert 50 in der Mitte stehe für eine unveränderte Entwicklung.

Der Begriff „Rechtsstaatlichkeit“ beschreibe im Rahmen dieser Studie den Grad der Funktionsfähigkeit des Staates (seiner Behörden) sowie den Grad der Gerechtigkeit des Staates im weiten Sinne (subjektiv und objektiv betrachtet). Der Begriff sei also wesentlich weiter zu verstehen als die Frage im juristischen Sinne, nämlich, ob das Handeln des Staates an die Gesetze gebunden sei und ob das Handeln des Staates durch die Gesetze vorhersehbar sei.

Um die Stärken und Schwächen gezielt herausarbeiten zu können, habe sich der ÖRAK im Zuge eines mehrjährigen Projektes unter Einbindung der österreichischen Rechtsanwält:innen darauf verständigt, anhand folgender Kategorien die Rechtsstaatlichkeit „messbar“ und vergleichbar zu machen:
◼ Qualität und Stabilität staatlicher Strukturen
◼ Qualität der Gesetzgebung
◼ Bekämpfung von Korruption
◼ Grund- und Freiheitsrechte
◼ Ordnung und Sicherheit
◼ Wirtschaftsstandort – Rechtssicherheit juristischer Personen
◼ Lebensraum – Rechtssicherheit natürlicher Personen
◼ Zivilgerichtsbarkeit
◼ Strafgerichtsbarkeit
◼ Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsbarkeit
◼ Bürgernaher Staat

Diese elf Kategorien seien mit je drei Indikatoren bewertet worden. Insgesamt stelle die Fieberkurve des Rechtsstaates für den ÖRAK die Möglichkeit dar, sowohl einen ganzheitlichen Blick auf das österreichische Rechtssystem zu werfen als auch eine Detailbetrachtung in einzelnen Bereichen vorzunehmen.

Zur Beurteilung der Situation hinsichtlich der Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsbarkeit wurden folgende Indikatoren herangezogen:

  • die durchschnittliche Verfahrensdauer beim VwGH,
  • der Anteil von Aufhebungen und Abänderungen von Behördenentscheidungen des BVwG und
  • die Einzelwertung Rule of Law Regulatory Enforcement

Der Indikator „durchschnittliche Verfahrensdauer beim VwGH“ (Verfahrensdauer aktuell 4,7 Monate) habe sich im kurz- und mittelfristigen Bereich verschlechtert, bleibe aber unter dem langfristigen Vergleichswert (8,9 Monate). Beim zweite Indikator des Aufhebungen oder Abänderungen durch das BVwG sei der positive Trend gebrochen. Der Anteil der aufgehobenen Behördenentscheidungen steige im Vergleich zur letzten Berichtsperiode stark an (von 33,9 % auf 43 %). Der Indikator „Rule of Law“ soll erfassen, inwieweit die faire und effektive Umsetzung von gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere über das Verwaltungsrecht, gewährleistet sei. Der Indikator habe sich wieder verschlechterte und falle auf das Niveau der mittel- und langfristigen Vergleichswerte. Österreich belege im globalen Ranking den 13. Platz.

Hier geht’s zur Fieberkurve des Rechtsstaates 2023

Siehe dazu den Beitrag im Standard: Anwaltspräsident ist gegen Absenkung der Strafmündigkeit und gegen Bundestrojaner

Siehe dazu den Beitrag in der Presse: Österreichs Anwälte schlagen Alarm: Was im Rechtsstaat nicht nicht funktioniert

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